Hase, ich will Dir ja nicht Deine Illusionen rauben, der Sex mag strafrechtlich "einvernehmlich" gewesen sein, arbeitsrechtlich ist er aber ein schwerer Verstoß gegen seine Sorgfaltspflicht und Professionalität als Chef.
Denn von Freiwilligkeit kann im Verhältnis Chef Mitarbeiterin nicht die Rede sein, dazu sind die Machtunterschiede zu groß, da der Chef Karrieren gegen Gefälliigkeiten befördern oder wegen fehlenden Gefälligkeiten beenden und so psychischen Zwang ausüben kann. Deswegen gibt es Complianceregeln, die das in großen, speziell international tätigen Firmen verbieten.
Und genau deswegen musste Schmuddeljulian gehen:
Von »Fehlern« und »Verletzungen«
Auch auf Anfragen zu diesem Bericht verwiesen Anwälte Reichelts und des Verlages noch darauf, die Vorwürfe seien unwahr, weder von gravierendem Gewicht noch strafrechtlich relevant, sie seien allesamt durch externe Dritte geprüft, das Compliance-Verfahren nach wenigen Wochen eingestellt worden, weil sich keine Belege für ein strafbares Verhalten gefunden hätten; Reichelt sei keine öffentliche Person, sodass Beziehungen aus seinem Privatleben nicht von öffentlichem Interesse seien. Zudem seien die Vorgänge schon eine geraume Zeit her, es fehle deshalb an »aktuellem Informationswert«.
Der ist nun offensichtlich gegeben: Nach Reichelts Abgang hat Axel Springer Johannes Boie, derzeit Chefredakteur »Welt am Sonntag«, zum neuen »Bild«-Chef bestellt. Reichelts Co-Chefin Alexandra Würzbach bleibt.
Nach Springers denkwürdiger Pressemitteilung im Frühjahr hatte die Öffentlichkeit noch gerätselt, was denn wohl mit »Fehlern« und »Verletzungen« gemeint gewesen sei. Dass es angeblich keine Anhaltspunkte für einen Machtmissbrauch gab, wie Springer damals sagte, lässt sich nach eingehender Recherche indes kaum mehr halten. Ein SPIEGEL-Team sprach in den vergangenen Monaten mit einem halben Dutzend Frauen, die im Zuge des Compliance-Verfahrens befragt worden waren, sowie mit Vertrauten dieser Frauen, sichtete Hunderte Nachrichten auf Handys, Messengerdiensten und E-Mails und wertete Dokumente aus, um die Schilderungen zu überprüfen.
Am Sonntag hatte schon die »New York Times« über den Fall Reichelt berichtet. Bei Axel Springer gebe es »Vorwürfe über Sex, Lügen und eine geheime Zahlung«, schrieb Redakteur Ben Smith und nannte mehrere Fälle aus dem Compliance-Verfahren, die auch dem SPIEGEL bekannt sind. Ein Rechercheteam des deutschen Ippen-Verlags hatte sich in den vergangenen Monaten ebenfalls mit den Vorwürfen gegen Reichelt auseinandergesetzt. Eine Veröffentlichung des Texts stand in den vergangenen Tagen kurz bevor, wurde jedoch von Verleger Dirk Ippen kurzfristig verhindert – die Begründung: Man wolle den Anschein vermeiden, einem Wettbewerber auf dem Zeitungsmarkt zu schaden. Teile dieser Recherchen finden deshalb nun Eingang in diesen SPIEGEL-Bericht.
Frauen seien nach »Fuckability« beurteilt worden
Die Recherchen zeichnen das Bild eines Chefredakteurs, der mit Mitarbeiterinnen, die eigentlich unter seinem Schutz stehen, mitunter so umging, dass man sie eher vor ihm schützen müsste. Es geht um das Machtgefälle zwischen jungen Frauen und Deutschlands lange Zeit mächtigstem Boulevardjournalisten, um Sex, der zwar einvernehmlich war, aber augenscheinlich mit beruflichen Vor- und Nachteilen verbunden, um drängende Nachrichten mitten in der Nacht. Und um einen Umgang mit Frauen, der sich auch kaum dadurch entschuldigen ließ, dass der Sexismus in der Berichterstattung der »Bild« traditionell auch in der Redaktion gepflegt wurde.
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Es ist nicht so, dass es bei Bild keine mächtigen Frauen gibt. Die Kultur war gleichwohl immer männlich geprägt: »It's a man's world«, sagte eine langjährige Führungskraft. Frauen würden bei »Bild« vor allem nach ihrer »Fuckability« beurteilt – sowohl in der Berichterstattung, aber auch intern. Teilweise säßen Frauen »als Dekoration« in den Konferenzen, sagt ein anderer.
Doch selbst für »Bild«-Verhältnisse war Reichelt ein besonderer Fall. Sein Vorgehen hatte, so scheint es, System. Jungen Frauen in seiner Redaktion näherte er sich demnach häufig nach demselben Muster: Er lobte sie für ihre Arbeit, vertraute ihnen verantwortungsvolle Aufgaben an oder hievte sie in Positionen, für die sie – teils auch nach ihrem eigenen Ermessen – nicht geeignet waren. Reichelt war für den weiblichen Nachwuchs Förderer und Verführer zugleich.
Bezeichnend ist auch das Gefasel von "manche Frauen, die gerne einmal als Schlampe behandelt werden".
Guter alter Sexismus der 80/90, auch da war es gang und gebe, den Frauen die Schuld an sexuellen Übergriffen zu geben, weil der Rock zu kurz war oder das Top zu eng.
OMG.