Sie war völlig Wahnsinnig! Dieser eine Gedanke beherrschte Kyon schon seit sie das Gesindeviertel im Norden der Stadt betreten hatten. Haruhi wollte zu einem Ort von dem sie in den Aufzeichnungen ihres Onkels gelesen hatte. Einer kleinen, schäbigen und von außen eigentlich ganz und gar unauffälligen Taverne. Aber jeder wusste, dass man sich von dort fernhielt! Selbst er, und dabei stammte er nicht einmal aus Guerilla. An diesem Ort trafen sich die ´freiberuflichen` Auftragsmörder der Republiken. Oder mit anderen Worten, alle die gerne Leute umbrachten, aber entweder nicht talentiert oder geistig gesund genug waren um der Gilde beizutreten. Niemand wäre je auf die Idee gekommen diese Männer als Leibwächter anzuheuern. Die Taverne besaß nicht einmal einen Namen. Lag vermutlich daran, dass alle paar Monate der Besitzer wechselte, weil der vorherige Wirt von den Gästen ausversehen abgestochen worden war.
Um mal eins ganz kurz klarzustellen, ich bin kein Feigling. Aratarn, der beste Schwertkämpfer der ganzen Republiken hatte mich ausgebildet, aber das war einfach nur Selbstmord! Ich war ein Leibwächter in Ausbildung und dieser Abschaum da drin, verdiente seinen Lebensunterhalt damit Wachen wie mich ganz nebenbei umzubringen ohne überhaupt hinzusehen. Es war als würde man ein Kaninchen in eine Wolfshöhle werfen...also äh, damit meine ich natürlich nicht dass ich ein Kaninchen bin. Ich würde mich eher als einen...Wolf sehen. Ja genau, einen Wolf, in einer Höhle randvoll mit anderen, größeren und gemeineren Wölfen, die aus irgendeinem Grund Wolfsfleisch liebten. Oder so etwas in der Art.
Jedenfalls ging Haruhi zielstrebig auf diesen grauen, alten Schuppen zu. Bevor er seine Sorge darüber zum Ausdruck bringen konnte, war Lady Asahina plötzlich ganz nah neben Kyon und legte ihm sanft ihre zierliche Hand auf die Schulter. Sie senkte die Stimme und sprach leise genug damit die anderen sie nicht hören konnten.
„Kyon.“ flüsterte sie
„Ja, meine Herrin?“ Gott roch sie gut, nach dem kräftigen Tee aus Ceicla und dem frischen Nordwind von einer Blumenwiese irgendwo in den Eisenbergen an einem kristallklaren See, umgeben von schneebedeckten Gipfeln um die mächtige Adler kreisten...gut vielleicht bildete Kyon sich das auch einfach nur ein.
„Was auch immer gleich dort drin passiert, ich möchte dass du nicht eingreifst.“
„Ähm, was? Sie will wirklich dort rein? Die bringen Euch und Haruhi um, Lady Asahina!“ Haruhi drehte sich kurz um, als sie seinen empörten Aufschrei hörte und betrachtete die Beiden mit einem seltsamen Blick, vor allem Asahinas Hand auf seiner Schulter. Bildete er sich das nur ein, oder sah sie tatsächlich ein wenig verärgert aus?
„Nicht so laut.“ flüsterte Asahina weiter und lächelte Haruhi unsicher zu, bis die Silberblatt das Interesse an ihnen verlor „Versprich mir, dass du nicht einschreitest, egal was passiert. Bitte, es ist wichtig.“
„Warum? Ich bin hier um Euch zu beschützen, warum sollte ich zulassen dass Euch etwas zustößt?“
„Weil Haruhi noch diesen Monat von den Schwertern der königlichen Soldaten in Stücke gehackt werden wird wenn das hier fehlschlägt.“ Dieser ernste, besorgte Unterton in ihrer Stimme passte einfach nicht zu ihr. Was war denn jetzt schon wieder los? Fassungslos betrachtete er sie, hatte selbst sie jetzt schon Geheimnisse vor ihm? Es war ihm egal was in Yukis oder Koizumis Köpfen vor sich ging und welche seltsamen Pläne sie im Geheimen verfolgten, aber seine Lady Asahina? Anscheinend wusste jeder was hier vor sich ging, jeder außer ihm natürlich und vermutlich auch Haruhi, die war wahrscheinlich sogar noch ahnungsloser über die Dinge die um sie herum geschahen. Zum Glück hatte er keine Zeit mehr sich weiter Gedanken über Asahinas seltsames Verhalten zu machen, denn Haruhi nutzte es schamlos aus dass er in Gedanken versunken war und führte sie in der Zwischenzeit fröhlich in den sicheren Untergang.
Als Kyon endlich wieder wahrnahm was um ihn herum passierte, befanden sie sich bereits mitten in einem dunklen, muffigen Schankraum. An den abgenutzten und oft notdürftig reparierten Tischen hockten locker um die 50 Männer und sahen sie überrascht an. Eine ganze Gruppe von jungen Adligen traf man hier selten, meistens schickte der Adel Diener um über Aufträge zu verhandeln. In Kyon stiegen erste Anzeichen von Panik auf, als er sah dass jeder der Anwesenden bewaffnet war. Endgültig am verzweifeln war er, als sich die Tür hinter ihnen schloss, und sich möglichst unauffällig, einige dieser Verbrecher davorstellten. Unbeirrt machte Haruhi sich auf den Weg zu dem staubigen, hölzernen Tresen. Direkt neben einem Mann mit grauen Haaren und faltigem Gesicht blieb sie stehen.
„Mach mal Platz, ich möchte da sitzen.“ sagte sie einfach nur.
Der Mann erhob sich schwerfällig und sah sie mit einem spöttischen Grinsen an „Was willst du denn? Sieh zu dass du Land gewinnst, oder...“ weiter kam er nicht. Haruhi rammte ihm wortlos die Faust in den Magen. Als er sich vor Schmerz und vor allem vor Überraschung nur ein klein wenig krümmte, schoss ihr rechter Fuß sofort vor und krachte gegen seinen Kopf. Wie es ihr gelang ihr Bein so weit hochzukriegen sollte mir immer ein Rätsel bleiben, auch wie sie es schaffte das ganze so vollkommen locker und leicht aussehen zu lassen. Jede ihrer Bewegungen war fließend und schnell gewesen, sie hatte keine Sekunde gezögert. Der Mann knallte auf den steinernen Boden und schlug hart mit dem Kopf auf. Kyon konnte selbst vom Eingang aus noch das leise Knacken hören. Er musste ohnmächtig sein, zumindest bewegte er sich nicht mehr, wenn man mal von einem gelegentlichen Zucken absah. Ohne den Mann noch eines Blickes zu würdigen, ließ sie sich nieder und winkte den Wirt zu sich heran.
„Ein Bier.“ sagte sie strahlend, ohne sich im Geringsten um die Blicke der Anwesenden, welche zwischen ihr und dem Verletzten hin und her schwankten, zu scheren. Misstrauisch ließ der Wirt das Glas auf den Tresen krachen, hoffentlich zahlte sie bevor die sie umbrachten. Haruhi schnappte sich das große Bierglas, nahm einen tiefen Schluck und verzog angewidert das Gesicht „Bäh! Das schmeckt ja widerlich, was ist das? Abwasser? So was würde man an der Tafel meiner Mutter niemals auftischen, sie würde den Braumeister hängen lassen.“ langsam drehte sie den Kopf und sah sich in dem dreckigen Schankraum um „Wer ist der Anführer von euch Abschaum? Ich habe keine Lust mit jedem einzeln zu reden.“
Der Mann neben Haruhi wandte sich zur ihr um. Kyon schluckte, das was dort neben ihr saß war sicher kein Mensch, es war eher ein riesiger Berg aus Fleisch, aus dem zwei winzige Schweinsäuglein hervorblitzten. Auf seinem Kopf sprossen ein paar blonde Haare, auch wenn die wenigen Härchen auf dem fleischigen, breiten Kopf hoffnungslos verloren wirkten. Er musste locker drei Köpfe größer sein als Haruhi, ach was rede ich da, eher vier. Er trug eine kurze Fellhose und eine ärmellose Weste, neben seinem Stuhl lehnte eine gewaltige Keule. Abschätzend betrachtete er das Mädchen von oben herab, wer war diese Verrückte?
„Ah gut, das dachte mir schon irgendwie.“ lächelnd prostete sie ihm zu.
„Ach? Und warum?“ seine Stimme klang wie das Brüllen eines Bären, obwohl Kyon sich sicher war dass jeder Bär vor ihm davonlaufen würde um sich verängstigt in irgendeiner Höhle zu verkriechen.
„Ganz einfach, du hast diesen Ausdruck freundlicher Bösartigkeit und ehrlicher Hinterhältigkeit in den Augen, gemischt mit einem gesunden Maß an Brutalität. Das gefällt mir.“
„Dasselbe wollte ich gerade über dich sagen.“ sein Blick wanderte zu dem Mann der, noch immer zuckend, am Boden lag „Du hast den armen Davos ganz schön übel zugerichtet.“
„Oh, ja kann sein.“ erwiderte Haruhi schulterzuckend „Wird er es überleben?“
„Hab schon schlimmeres gesehen. Wenn man ihn sofort zu einem Medikus bringt, der seinen Schädel versorgt, könnte er vielleicht durchkommen.“
„Vielleicht.“ sie starrte ungerührt in die kleinen, dunklen Augen des gewaltigen Mannes. Niemand machte Anstalten dem Verletzten zu helfen. Als sich, sehr viel später, endlich jemand erbarmte war es bereits zu spät für den Armen. „Wie heißt du?“
„Bulldoz. Und wer bist du, meine Hübsche? Ich weiß gerne die Namen meiner Opfer.“
„Haruhi, Haruhi Silberblatt. Meine Mutter ist die Matriarchin von Vanidarien, Göttin des Nordens, Tochter des Weißen Baums und Gottkönigin von Varos.“
Sofort machte sich Aufregung unter den Männern an den Tischen breit. Viele zogen lange Dolche, einige sogar Schwerter und sprangen begeistert auf.
„Ruhig! Unser Geld läuft schon nicht weg!“ hielt Bulldoz sie zurück, bevor er sich wieder Haruhi zuwandte „Wusstest du dass der Vizekönig, ganz inoffiziell natürlich, ein nettes Kopfgeld auf dich ausgesetzt hat, Kleine?“
„Nein, aber damit habe ich gerechnet. Wie hoch ist es?“ fragte sie unbeeindruckt nach.
„5000 Goldstücke. Selbst wenn ich es mit meinen Männern teile, bleibt noch immer ein kleines Vermögen für mich übrig.“ er sah irgendwie nicht so aus als würde er besonders viel mit seinen Männern teilen, Kyon fragte sich ob die wohl je mehr als ein paar Münzen von dem Kopfgeld sehen würden.
„So wenig?“ Haruhi klang ernsthaft beleidigt, dabei konnte man mit dem Geld eine kleine Armee ausrüsten „Koizumi! Erinnere mich daran dem Vizekönig zu schreiben. 5000! Was für eine Frechheit. Alleine das wäre schon ein Kriegsgrund.“
„Glaubst du wirklich, dass du noch Gelegenheit hast dich zu beschweren?“ fragte Bulldoz neugierig nach.
„Nun falls nicht, möchte ich dich bitten ihn von meiner Unzufriedenheit in Kenntnis zu setzen sobald du meinen Kopf ablieferst.“ erwiderte Haruhi schulterzuckend.
Ihr Auftreten verwirrte Bulldoz, sie zeigte keinerlei Angst vor ihm oder seinen Männern. Langsam ließ er seinen Blick über ihren Körper schweifen, sie war hübsch. Was für eine Verschwendung, wirklich schade dass er sie töten musste „Wir könnten uns uns vielleicht etwas besser kennenlernen bevor ich dir die Kehle durchschneiden muss.“
„Mhm, wenn wir die Sache mit dem Umbringen weglassen, gehe ich vielleicht sogar darauf ein.“ Ich bin mir bis heute noch immer ziemlich sicher, dass sie das nicht ernstgemeint hat, hoffe ich jedenfalls.
„Ein großzügiges Angebot, aber am Ende des Tages zählt leider nur das Gefühl von Goldmünzen in meinen Händen, die ich mit ehrlicher Halsabschneiderei verdient habe. Außerdem,“ jetzt fing er an zu Grinsen „kann ich mir vorher auch einfach nehmen was ich will, oder etwa nicht?“
„Ja, das könntest du und vielleicht würde es dir sogar gelingen. Aber, bisher ist niemand über mich hergefallen oder hat mich umgebracht. Also können wir uns noch ein wenig unterhalten.“ als der große Mann nickte, winkte sie strahlend den Wirt heran „Zwei von dem Schnaps aus Belunda und zwar nichts vom dem Billigen, obwohl du hier vermutlich nur billiges Zeug hast.“
Als der Wirt unsicher zu Bulldoz sah, erklärte dieser sich bereit die Rechnung zu bezahlen, er war schließlich höflich. Außerdem würde das Mädchen nicht mehr zahlen können wenn sie erst einmal tot war. Sofort als Haruhi das kleine Glas in Händen hielt kippte sie den Inhalt in einem Zug runter. Kyon wurde schlecht als er das sah. Was tat sie da? Haruhi war doch nüchtern schon schlimm genug. Kurz sah er sich nach den Anderen um. Yuki starrte ausdruckslos ins Nichts, Koizumi tat so als würde ihn das alles nichts angehen und Asahina versuchte möglichst nicht aufzufallen. Aber keiner zeigte auch nur eine Spur von Panik, dabei wäre Panik mehr als angebracht gewesen!
„Was führt dich eigentlich hierher? Also, außer Todessehnsucht.“ dröhnte die Stimme des Mörders durch den Schankraum.
„Ich bin auf der Suche nach tapferen, ehrenhaften Männern für meine Leibwache.“ antwortete Haruhi ernst.
„Was? Und da kommst du hierher?“ er stieß ein kurzes, bellendes Lachen aus „Vielleicht bist du doch nicht so klug wie ich zuerst dachte.“
„Ich hatte gehofft hier jemanden zu finden der den König genauso sehr hasst wie ich.“
„Und warum sollten wir den König hassen?“ fragte er belustigt nach.
„Die Grander sind Usurpatoren. Vor über 100 Jahren haben auch die Republiken an der Seite der rechtmäßigen Könige gekämpft. Es ist eure Pflicht für die Auguster zu...“
„Die Auguster sind tot! Alle. Warum sollten wir für ihre verfaulten Leichen kämpfen?“ warf einer der Männer irgendwo im Raum ein.
„Wären die Auguster so tolle Herrscher gewesen, hätte wohl kaum das halbe Reich gegen sie rebelliert oder?“ meinte ein Anderer.
„Dann hasst ihr vielleicht die Arroganz der Königlichen, sie...“ fuhr Haruhi unbeirrt fort.
„Arrogant? Die haben uns nie irgendwas getan.“ murmelte jemand.
„Ich hab Verwandte in Alexandrieska, die sind nettere Menschen als die meisten Republikaner.“ meldete sich der Nächste, sie gingen Haruhi damit langsam auf den Geist.
„Gut, was ist mit den königlichen Steuern, die sind doch sicher viel zu hoch.“ versuchte sie es mit einem anderen Argument.
„Sehen wir aus als würden wir Steuern zahlen?“ rief wieder einer der Störenfriede dazwischen.
„Die Abgaben sind nur hoch wenn Vanidarien mal wieder rebelliert und der König mehr Soldaten braucht um den Aufstand von euch Hinterwäldlern niederzuschlagen!“ meckerte ein Weiterer.
„Diese Schreihälse hätte ich nicht gerne in meiner neuen Leibwache. Sie fangen an mir auf die Nerven zu gehen.“ seufzte Haruhi.
„Seh ich genauso.“ zornig drehte Bulldoz sich zu seinen Männern um, die sofort verstummten. „Haltet endlich die Schnauze und kümmert euch um euren Scheiß! Ich unterhalte mich hier. Wenn die Zeit zum töten gekommen ist, sage ich euch hirnlosen Idioten schon früh genug Bescheid.“
„Danke, das ist schon viel besser.“
„Keine Ursache. Du sagtest, du brauchst Leibwächter? Meine Männer und ich sind nicht billig, außerdem müsstest du uns vorher noch das Kopfgeld auszahlen.“ er rieb sich nachdenklich übers schwabbelige Doppelkinn.
„Natürlich, ich bin bereit jeden Preis zu bezahlen den du verlangst.“
„Ach? Und wo hast du so viel Gold versteckt?“
Leichtfüßig sprang Haruhi von ihrem Stuhl auf, wirbelte umher und kam neben Lady Asahina zum Stillstand. Sofort packte sie die rothaarige Mimir an den Schultern, zog sie vor sich und präsentierte sie strahlend ihren neuen ´Freunden`. Asahina schrumpfte unter den musternden Blicken der Männer zusammen und fühlte sich sichtlich unwohl.
„Ganz niedlich, bringt sicher einen guten Preis wenn man sie an eins der Bordelle verkauft. Aber ehrlich gesagt ist das nicht mal genug für das Kopfgeld.“ murmelte der Mörder unbeeindruckt.
„Du denkst viel zu plump. Das hier, ist eine echte Mimir. Asahina, Tochter von Aratarn und Miranda. Die ist ihr Gewicht in Gold Wert, ach was sag ich da, dein Gewicht in Diamanten!“
„Eine Mimir?“ Bulldoz musterte das rothaarige Mädchen noch einmal, diesmal mit deutlich mehr Interesse. Er war auf seinen Reisen durch die Republiken oft in Benjii gewesen, sie sah wirklich aus wie eine Mimir. Nur ihre Augen passten nicht ganz, sie waren von einem seltsamen Rotbraun. Lag vermutlich daran, dass ihr Vater ein Silberblatt war. Davon hatte er gehört, diese seltsame Verbindung sorgte damals in Benjii eine Weile für Unruhe. Damals war die Rebellion der Silberblätter gerade in vollem Gange gewesen und man fürchtete in den Krieg hineingezogen zu werden. Den Saum ihres Kleides verzierten Pinguine, die Wappentiere der Mimir und der ernst dreinblickende Typ hinter ihr, der aussah als würde er vor Wut über Haruhis Worte gleich platzen, trug das Wappen der Trellik, der Leibwächter der Mimir. „Ja.“ sprach er zögerlich „Ja, das Lösegeld einer Mimir würde ausreichen.“
„Also, kommen wir ins Geschäft?“ fragte Haruhi lächelnd.
Bulldoz brauchte eigentlich gar nicht erst lange zu überlegen wie seine Antwort lauten würde. Dieses Mädchen hatte ohne Zweifel Mut und es würde ihm vielleicht sogar ein klein wenig leid tun, wenn er sie umbrachte. Kurz dachte er daran zum Schein vorerst auf ihr Angebot einzugehen. Es könnte sicher interessant werden, noch ein wenig in ihrer Nähe zu sein, bevor er ihren Kopf und die Mimir an sich nahm. Er hatte kein Problem damit seine Geschäftspartner zu verraten, das tat er immer wenn es Gewinn versprach. Aber das wäre in diesem Fall unklug. Seine Beute befand sich hier, direkt vor seiner Nase. Später konnte ihm jemand anders zuvorkommen und das ganze schöne Gold wäre verloren. Nein, es war am besten die Sache schnell hinter sich zu bringen. Die anderen Drei könnte er mit einer sehr sehr hohen Lösegeldforderung nach Benjii schicken. Miranda würde ihre Familie notfalls sogar ruinieren um ihre Tochter gesund zurückzubekommen. Nichts galt den Mimir mehr als ihre Familie, nicht einmal ihr Reichtum. Er hatte nicht vergessen was Haruhi mit einem seiner Männer angestellt hatte, sie konnte sich offensichtlich recht gut wehren. Doch gegen so viele Gegner würde sie keine Chance haben, egal wie schnell sie sich bewegte.
Gerade wollte Bulldoz den Mund öffnen und seinen Männern den Befehl zum Angriff geben, doch er konnte es nicht. Verwirrt versuchte er es noch einmal, aber nichts an seinem Körper gehorchte dem Mörder mehr. Für alle anderen musste es so aussehen, als würde er noch immer über seine Antwort nachdenken, während er unbeweglich dasaß. Er konnte selbst seine Augen nicht bewegen und dann spürte er es. In seinem Kopf passierte etwas, etwas Unerklärliches. Seine Erinnerungen, Gedanken, ja sein ganzes Bewusstsein waren in Aufruhr, sie verschoben sich, sie...er wusste nicht was mit ihnen passierte, wusste nicht was in seinem Kopf geschah und das ließ Panik in ihm aufsteigen. Zum erstenmal in seinem Leben machte ihm etwas Angst. Was um alles in der Welt ging hier vor sich? Es war, als würde eine unsichtbare Macht alles an ihm verändern was ihn je ausgemacht hatte, alles was er war. Haruhi starrte ihn aus ihren großen, braunen Augen ungeduldig an, er versank darin, sie schienen zu versuchen ihn zu verschlingen und dann...
Und dann, existierte plötzlich nur noch Nichts. Nur für den Bruchteil einer Sekunde.
Bulldoz blinzelte verwirrt und hielt sich die Hand vor Augen, er konnte sich bewegen. Natürlich konnte er sich bewegen, dachte er ärgerlich. Warum sollte er sich auch nicht bewegen können? Langsam sah er sich in dem Schankraum um, sie warteten ungeduldig auf seine Antwort. Dachte er wirklich schon so lange nach? Seltsam. Dabei brauchte er doch gar nicht lange zu überlegen wie seine Antwort lauten würde. Er würde dieses seltsame, aber irgendwie auch interessante, Mädchen als Leibwächter begleiten, zusammen mit einem Dutzend seiner besten Männer. Die Bezahlung war sicher nicht schlecht, sie hatte eine Mimir als Freundin und die zahlten immer gut. Wenn er sie später verriet könnte er theoretisch sogar noch viel mehr Geld rausholen, das wäre sicher nicht besonders schwer, aber nein, er war niemand der seine Geschäftspartner verriet, das tat er niemals.
…
Sie standen im Gesindeviertel mitten auf der Straße und Kyon hatte sich noch nie so sehr gefreut die Sonne wiederzusehen. Der Mörder hatte auf das Kopfgeld verzichtet, aber der Preis für seine Männer war trotzdem noch immer mehr als stattlich. Haruhi war, ganz beschwingt von ihrem Erfolg, bereits vorausgestürmt und belästigte gerade irgendeinen armen Straßenhändler der nichts als Schrott verkaufte. Mikuru hatte sie mitgeschleift und Yuki folgte ihnen langsam. Nur Koizumi stand noch immer neben ihm.
„Was ist da drin passiert?“ fragte Kyon, als er es endlich schaffte seine Stimme wiederzufinden „Und viel wichtiger, warum leben wir noch?“
„Weißt du, Kyon, jeder von uns könnte genau das Gleiche versuchen wie Haruhi eben. Wir könnten das gleiche sagen, uns genauso bewegen, genauso reden. Und trotzdem würden wir am Ende mit aufgeschlitzter Kehle in irgendeiner Gasse enden.“
„Und wieso hat es dann bei ihr funktioniert?“
„Ich dachte das hätte ich dir bereits in Benjii gesagt.“ Koizumis Augen bohrten sich förmlich in ihn. Noch ehe Kyon etwas erwidern konnte, stand Haruhi plötzlich vor ihm und starrte ihn an.
„Haben die Mimir Geld in der Stadt?“
„Mhm? Ja, es gibt hier einen Handelskontor der Mimir, aber...“ diese Frage gefiel ihm nicht, was wollte sie denn jetzt schon wieder?
„Gut. Dort hockt bestimmt irgendein Mimir, der wird dich oder Mikuru sicher erkennen. Sag einfach du brauchst Geld um mehr Männer anzuheuern. Berichte dass wir auf dem Weg hierher angegriffen wurden, lass einen Brief an Aratarn nach Benjii schicken. Tu was immer nötig ist, aber besorg lieber das Geld, ansonsten werden die neuen Leibwächter sicher sauer.“
„Warum sollten die Mimir deine neuen Wachen bezahlen?“ antwortete er bissig.
„Nicht meine, die von Mikuru.“
„Und warum sollte Mik...Lady Asahina in Gefahr sein?“
„Ganz einfach, wenn die königlichen Soldaten versuchen mich zu ermorden, werde ich direkt hinter Mikuru stehen. War das deutlich genug?“
[Blockierte Grafik: https://dl.dropboxusercontent.com/u/77559445/God%20is%20a%20Girl/Haruhi%21.png]
Oh Wunder! Vanidar ist aus seinem Exil ohne Internet zurückgekehrt und beglückt uns mit einem neuen Kapitel!