Der Stadtteil der "anständigen" Bürger, wie es die allgemeine Ansicht ist.
Mit seiner Nähe zum Regierungsviertel und zu Vigelano als auch Oviedo, scheint es fast vorherbestimmt zu sein, das ein Anwohner Molzanos ein aufrichtiges Leben führt.
Die Kriminalitätsrate ist gering und sogar Adelige scheuen sich nicht offen in dem Viertel zu verkehren.
Ein besonders großer Anzugspunkt ist dabei das Nobelrestaurant "Orion", berühmt für seine exotischen Speisen und die ausgezeichnete Bedienung.
Einen nicht geringen Anteil daran trägt der Chefkoch Flavio Barzetti "Der Kochdämon". In völligem Kontrast zu seinem ausgefallenen Essen scheucht er seine Angestellten mit lautem Gebrüll durch die Küche, wenn ihm auch nur ein Salzkorn in der Suppe missfällt. Er gilt als äußerst schwer zufrieden zu stellen, hat aber eine Leidenschaft für das Kochen, wie sie nur wenige teilen.
Flavio Barzetti
Ein Schlachtfeld - das war die Küche des “Orion” momentan. Und Flavio Barzetti scheuchte seine Untergebenen herum, wie der General einer unbarmherzigen Damönenarmee.“WAS SOLL DAS?!”, brüllte er erbost: “DA KOMMT KEIN BASILIKUM REIN DU UNGEBILDETER FLEGEL. RAUS AUS MEINER KÜCHE!”Der unglückliche junge Hilfskoch hatte wohl seinen letzten Arbeitstag. So etwas war nicht ungewöhnlich - Barzetti entließ seine Angestellten schon bei den kleinsten Verfehlungen. Er war streng, ungehobelt und herablassend. Aber er war der beste in seinem Fach, weit und breit und so konnte er es sich leisten. Die Veteranen unter den seinen, von ihren jüngeren Mitarbeitern ehrfürchtig die “Teufel” genannt, hatten sich mit dieser Art arrangiert. Sie wussten, das Flavio Barzetti nie leere Töne spuckte. So harsch seine Worte auch sein mochten - wahr waren sie trotzdem. In einem Luxusrestaurant wie diesem, konnten selbst kleinste Unstimmigkeiten einen Skandal bedeuten. Es war einfach kein Raum für Fehler.Wütend knurrend, band sich Barzetti eine Schürze um und zog sein altgedientes Kochmesser aus seiner Scheide. Er führte es immer bei sich, wie ein Adliger seinen Degen.
“WAS GLOTZT IHR SO. SCHAFFT MIR GEFÄLLIGST DIE ZUTATEN HER, WIRDS BALD?!”Sofort begannen wieder Hilfsköche hin und her zu wetzen, wie Meldeboten im Krieg.Ohne zu warten, filetierte der Meisterkoch das Stück Kalbsfleisch vor ihm mit wenigen akkuraten Schnitten. Salz und Pfeffer fanden ihren Weg so schnell auf das zarte rosa, das es beinahe wie Zauberei wirkte. Man reichte ihm einen Spitzkohl. Ohne aufzusehen, platzierte er ihn auf dem Schneidebrett und zerhackte ihn mit beinahe unmenschlicher Geschwindigkeit in Einzelteile.Wenn der “Kochdämon” seine Klinge schwang, war es wahrlich ein unglaublicher Anblick. Die Plätze zu den wenigen Anlässen, an denen er vor Zuschauern kochte, waren ebenso teuer, wie begehrt. Mit einem schnellen Strich der Flachseite bugsierte er Fleisch und Gemüse in die Bratpfanne, griff nach der Ölflasche und gab mit einem geübten Handschwenk etwas Öl hinein.Er ließ das Gericht brutzeln und wirbelte herum, um nach dem Brot in dem Steinofen zu sehen. Mürrisch, aber zufriedengestellt schnaubte er und drehte sich zurück.Während er gleichzeitig das Fleisch in der Pfanne wendete, kümmerte er sich um das Fertigstellen des Desserts, das ihm von einem der “Teufel” weitergereicht wurde. “WO BLEIBT DIE SAHNE?!”, donnerte er und bekam sie nur eine Sekunde später in die Hand gedrückt. Eine Sekunde zu spät für seinen Geschmack. Andere Leute hätten tödliche Blicke verschossen - dafür hatte er weder Zeit noch Notwendigkeit. In dieser Küche wusste jeder sofort, wenn er etwas falsch gemacht hatte und was passierte, wenn sich solche Dinge häuften. Barzetti nahm die Pfanne von der Flamme, kippte die Sahne hinzu und gab noch Frisch-und Hartkäse hinzu. Dann erhitzte er die Soße nochmals und ordnete die Einzelteile des Gerichts mit Erstaunlicher Finesse auf dem Teller an. Er nahm das Brot aus dem Ofen, verzierte es mit einigen kunstvollen Schnitten, drapierte die bereitgestellte Marmelade in den Ritzen und legte es zu den Fleischstücken.
“LOS, RAUS DAMIT!”, befahl er herrisch und fuhr abermals herum.
Für eine Pause war keine Zeit - hier würde noch bis in den späten Abend reges Treiben herrschen.
Stunden später, als auch der letzte Mitarbeiter das Restaurant verlassen hatte und der Mond hoch am Himmel stand, fiel die Anspannung endlich von Flavio ab. Mit leicht zittrigen Fingern zündete er sich eine Pfeife an und sog den beruhigenden Tabak ein.
Ein schmerzvoller Husten, entrang sich seiner Kehle und er spuckte angewidert aus.
Es blieb ein kleiner rötlicher Fleck auf dem Steinboden vor dem “Orion” zurück. Mit düsteren Gedanken blickte Flavio Barzetti nach oben und biss verkrampft auf die Pfeife. Ihm lief die Zeit davon.