Normalerweise ist das Dasein als Künstler nicht unbedingt Einkommens-sicher, aber wer es einmal bis nach Baramini geschafft hat, dem stehen die Türen zu Anerkennung und Wohlstand offen. Nur die besten Maler, Bildhauer und Goldschmiede können sich eine Werkstatt im angesehenen Bezirk nahe den großen Banken und den Sitzen des Hochadels leisten. Die optimale Lage gewährleistet, dass stets genügend Aufträge von wohlhabenden Persönlichkeiten eingehen und im Gegenzug liefern die Handwerker Baraminis ausgezeichnete Qualität. Besonders gute Werke werden häufig von Dolores Sosa, der Besitzerin der Kunstgalerie "Edelweiß" aufgekauft, deren Geldbörse scheinbar unerschöpflich scheint. Nach dem mysteriösen Tod ihres Mannes strich sie dessen gesamtes Vermögen ein und baute damit ihre Galerie auf, mit der sie heute mehr als in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. So mancher argwöhnt, sie sei eine schwarze Witwe, aber wahrscheinlich liegt das eher an ihren strikten Ansichten, was "Echte Kunst" von "Modernem Kitsch" unterscheidet.
Einführung Dolores Sosa
Dolores Sosa verzog den Mund als ihr einer der Kellner Champagner anbot. Er musste neu sein. Höflich lehnte sie ab und begnügte sich mit einem Glas mit verdünntem Fruchtsaft. Sie führte es an ihre stark geschminkten Lippen und ließ den Blick durch den Raum schweifen.
In kleinen Grüppchen standen die Besucher der Vernissage vor den Ausstellungsobjekten und unterhielten sich verhalten. Vorsichtig bewegte sie sich auf eine Statue zu, die einen Tosiner Imperiumssoldaten darstellte. Auf die Marmorstatue war ein Bronzehelm aufgesetzt aber ansonsten war das Werk des Bildhauers nackt.
Dolores schätzte die moderne und ihrer Meinung nach aufgesetzte Züchtigkeit nicht. Man mochte diskret sein, aber Verschämtheit war eine ganz andere Sache.
Abermals verzog die Kuratorin den Mund als ein Cavant, der offenbar überhaupt nichts von Kunst verstand und nur wegen dem gesellschaftlichen Druck hier war, sich in die selbe Pose wie der Marmorsoldat stellte. Nichts war ihr mehr zuwider als diese unkreativen Landeier die nur hier waren um Kontakte zu knüpfen. Nicht dass Kontakte nicht wichtig waren, sie hatte einen ganzen Haufen davon, aber wer nichts von Kunst verstand war in ihren Augen Mensch zweiter Klasse und konnte seine Kontakte genauso gut in der nächsten Hafenspelunke knüpfen.