Was man in Oviedo nicht bekommt, das gibt es nicht – zumindest wenn man den Worten der Händler Glauben schenkt, die dort ihre Geschäfte errichtet haben. Und in der Tat ist die Vielfalt an Einkaufsmöglichkeiten geradezu überwältigend. Von kleinen Ramschläden bis hin zu dem gewaltigen Verkaufshaus der Zebrin-Familie – es ist alles dabei. Auf den Straßen des Bezirks sind alle Bevölkerungsgruppen gut vertreten, aber im Straßenbild stechen besonders Kinder und Jugendliche hervor. Dies hat seinen Grund in dem weitläufigen Campus der Rios-Universität. Das außergewöhnliche Bildungsinstitut bietet erstklassige Lehrstunden für alle Altersklassen an – vorausgesetzt man kann es sich leisten. Selbst international zählt ein Abschluss an der Akademie zu den angesehensten seiner Art, da das Studium ausgesprochen anspruchsvoll ist. Ihren guten Ruf verdankt die Einrichtung vor allem einem Mann: Dem Schuldirektor Gasparo Adamo. Innerhalb von 10 Jahren krempelte er das Bildungssystem komplett um und machte die Rios-Universität zu dem was sie heute ist. Einem Mann mit seiner Intelligenz hätten alle Türen in der Politik offen gestanden, aber aus einem unerfindlichen Grund entschied er sich dazu Lehrer zu werden. Obgleich seine Lehrmethoden zweifelsohne effektiv sind, bewegen sie sich doch häufig in einem moralisch schwer vertretbaren Bereich. Er vertritt die Auffassung, dass in einer idealen Welt 95% der Menschen arbeiten und 5% faulenzen. Wobei die 95% darauf gedrillt werden nicht Teil der ausgegrenzten 5% zu werden. Selbstverständlich spiegelt sich das auch in dem Aufbau der Schule wieder. Schlechte Schüler werden in ein heruntergekommenes Nebengebäude abgeschoben und beinahe sämtlicher Privilegien beraubt. Sowohl Schüler als auch Lehrer werden regelrecht ermutigt, die unteren 5% zu erniedrigen – so ist sichergestellt, dass jeder hart arbeitet, aus Angst Teil der D-Klassen (D für Defizit) zu werden. Ohne Zweifel würde Direktor Adamo selbst seinen eigenen Sohn Gallo gnadenlos dieser Prozedur aussetzen, sollten seine Noten je auf einen solchen Tiefpunkt fallen. Da Gallo Adamo allerdings stets die Top-platzierungen aller Fächer seiner Altersklasse belegt, ist dies eher unwahrscheinlich.
Einführung Gasparo Adamo
Mit einem lauten Klatschen und einem leisen Aufschrei traf der Rohrstock das Hinterteil des Schülers. „Wirst du mir noch einmal eine derartig unsinnige Ausrede liefern, wieso du deine Hausaufgaben nicht gemacht hast?“ Streng blickte Rektor Adamo über seine Brillengläser hinweg. „Ich musste meinen Eltern im Geschäft aushelfen ist keine Entschuldigung. Deine Aufgabe ist das Lernen. Ist das klar?“
Ein eifriges Nicken antwortete dem gestrengen Lehrmeister.
„Dann ab mit dir.“ Nickte der Rektor zur Tür und der Schüler wuselte mit beiden Händen auf den Hinterbacken hinaus. Gasparo schob die Brille von der Nasenspitze zurück und setzte sich an seinen Tisch. Ein ganzer Packen Aufnahmeanträge wartete auf ihn. Die Rios-Universität war eine Eliteschule und nur Schüler mit guten Beziehungen, wohlhabenden Eltern oder Wohltätern und mit ausgezeichneten Noten wurden aufgenommen.
Gasparo griff nach einer Feder die im exakt ausgerichteten Tintenfass steckte und begann mit den Ablehnungschreiben. Selbst von dem Stapel der etwa handhoch war, würden nur etwa 10 bis 15 Bewerber angenommen werden.
Stunden später verschloss Adamo sein Tintenfass und stand vom Schreibtisch auf. Obwohl er stundenlang gesessen war, war sein Rücken gerade wie ein Spazierstock. Er nahm den Degen samt seinem Futteral aus der Vitrine und vollführte einige Stöße ehe er die Waffe in der unförmigen Tasche verstaute und sein Büro verließ und sorgfältig abschloss.